Neues Anlagemanagement braucht das Land

Begriffsverwirrung

 

Wir sprechen im Folgenden nicht von institutionellen Anlegern, sondern ausschließlich von Privatanlegern.

 

Unterschiedliche Begriffe für sehr ähnliche Dinge.

 

Vermögensverwaltung ist ein Begriff, der meistens verwendet wird, wenn eine Bank so genannte HNWI (High Net Worth Individuals) betreut. Oder man den Kunden suggerieren will, dass sie reich sind. Dieser Begriff hat den Duktus, dass da bereits ein großer Haufen Vermögen ist, den es zu wahren, zu verwalten gilt. Wenn das nicht für eine Person, sondern für eine Familie generationsübergreifend geschieht, dann nennt man das gerne auch Family Office.

 

Der Begriff Wealth Management wird oft synonym gebraucht. Obwohl der Begriff „Management“ eher einen aktivistischeren Touch hat als „Verwaltung“. Aber eigentlich ist es ein Synonym.

 

Es gibt aber auch noch Begriffe wie Vermögensaufbau, Vermögenssicherung, Vermögensmanagement, Anlagemanagement und einige weitere. Hier ging es im Wesentlichen darum auch für den nicht so betuchten Menschen Lösungen zum – schwerpunktmäßig – Vermögensaufbau zu definieren. Oft hatte dieses „Sparen“ das Ziel der Altersvorsorge. Das ist, im Gegensatz zu den HNWI, die Retailseite des Business. Im wahren Marketingleben sind die Gruppen noch differenzierter, z.B. Affluent gibt es auch noch, aber für hier reichen die beiden Enden der Skala.

 

Beide Formen sind ad 1 sehr Wertpapierorientiert und ad 2 langfristig ausgelegt. Bei den HNWI stehen stark individualisierte Lösungen im Vordergrund, bei den Retail-Kunden Standardlösungen, meistens mit Fonds.

 

Besondere zusätzlich Anlageformen außerhalb der Wertpapierwelt sind Edelmetalle und Immobilen oder Mobilien (z.B. Kunstwerke, alte Autos). Sie dienen aber eher der Bewahrung von Vermögen, als zum Aufbau.

 

Beide Formen brauchten einen aktiven Vertrieb. Sie waren nämlich durchaus erklärungsbedürftig. HNWI wurden in der Regel von Privatbanken mit persönlichen Vermögensverwaltern betreut, die Retailkunden von den so genannten Strukturvertrieben oder den klassischen Banken.

 

Insbesondere das Retail-Vermögensmanagement muss man als Ergänzung zur deutschen Sparkultur mit dem Sparbuch o.ä. sehen und schlussendlich als dessen Ablösung. Mittlerweile wird das Retail-Vermögensmanagement sogar vom Staat unterstützt (Riester, Rürup). Allerdings sind das meistens eher Versicherungslösungen als Vermögensaufbaulösungen.

 

Anlagemanagement

 

Anlagemanagement ist der treffendste Begriff, weil er den Prozess beschreibt. Das liegt daran, dass Anlage von anlegen kommt, einem Verb. Der Begriff Vermögen dagegen braucht immer noch eine Ergänzung, damit er zur Beschreibung des Sachverhalts Sinn macht, z.B. Vermögen verwalten.

 

Anlage ist auch neutraler und damit per se weiter gefasst als Vermögen.

 

So ist Festgeld auch eine, eher kurzfristige Anlage, ist aber eigentlich nie Teil der so genannten Vermögensverwaltung. Das mag daran liegen, dass man dafür eher keine Bankexpertise braucht.

 

Brokerage und Heavy Trading, die das Auf und Ab der Börsen nutzen sollen, kann man spekulativ verorten. Bitcoin und Konsorten und Konsorten sowieso.

 

Anlagemanagement beschreibt somit zielneutral, Zeitraum neutral und Akteur neutral jede Form von Anlage von Geld in etwas, das man für Werte hält. Damit habe ich hier nicht wirklich Neues gesagt. Theoretisch ist das jedem bewusst, aber die Angebote am Markt sind in den allermeisten Fällen nur auf Ausschnitte des Gesamtspektrums konzentriert.

 

Vergangenheit: Lukrativ und wichtig

 

Anlagemanagement jeder Prägung ist bisher teuer. Denn dort müssen kompetente Menschen in Banken Gelder anlegen und wahren, mit den Kunden sprechen und das zunehmende Reporting bewältigen.

 

Wenn es für den einen teuer, aber wichtig ist, dann ist es für den anderen attraktiv. Vermögensmanager jeder Couleur haben sehr gut und, bis zu MiFID II, sogar an beiden Enden verdient, beim Kunden und beim Produktgeber.

 

Anlagemanagement ist aber auch wichtig. Insbesondere für die Altersvorsorge ist es von essenzieller Bedeutung, da staatliche Systeme das nicht stemmen können. Jeder kennt das Thema.

 

Gegenwart: Regulatorik, Niedrigzinsen, Technologie, Selbstbewusstsein, neue Spieler

 

Aber das hat sich verändert. Der Druck auf die Lukrativität hat stark zugenommen. Die Wichtigkeit ist eher noch gestiegen, weil der Druck zu Eigenvorsorge weiter steigt.

 

Das erste Druckpunkt auf die Lukrativität ist die Regulatorik. Regulatorik ist immer mit zusätzlichem Prozessaufwand, wie Kontroll- und Reportingprozessen, verbunden.

 

MiFID II hat zudem die Kickbacks, die Bestandsprovisionen, die Abschlussprovisionen usw. von den Produktherstellern weitgehend pulverisiert. Die Klimmzüge, um sie mit qualitätsverbessernden Maßnahmen aufzurechnen, sind bemerkenswert. Das wird aber sicherlich noch einmal in den nächsten Jahren intensiver diskutiert werden.

 

Fakt ist, dass diese Kickbacks erst die Möglichkeit eröffneten, dass die Kunden selbst nicht stark zur Kasse gebeten werden mussten. Wenn die Kickbacks irgendwann mal hart ausgekehrt werden müssen, dann müssen die Kunden sie über Gebühren wieder „zurückgeben“. Ansonsten passt das nicht für die Banken.

 

Das wird aber nicht besonders lustig. Die Kunden, gewöhnt an die Kostenfrei-Kultur, werden zicken.

 

Die seit Jahren vorherrschenden Niedrigzinsen haben den Weg zum Vermögensaufbau durch risikoloses Zinssparen weitgehend zerstört. Das Sparbuch ist mausetot. Auch risikoarme Formen des Wertpapiersparens über eine Kapitallebensversicherung sind tot. Und es ist auch langweilig. Die Deutschen als mehrheitlich risikolose Sparer tun sich schwer – immer noch – auszuweichen.

 

Deshalb sind die Entwicklungen für grenzüberschreitende Zinsarbitrage ein Segen. So macht Zinssparen in Bulgarien oder Portugal noch halbwegs Sinn. Findige Unternehmer haben das mittlerweile professionalisiert und bieten deutschen Kunden halbwegs lukrative Festgeldanlagen im Ausland an, die auch noch sicher sind. Europäische Einlagensicherung macht es möglich.

 

Diese Entwicklungen gehen einher mit der technologischen Entwicklung der Internet und seinen Möglichkeiten.

 

Schon fast uralt ist der Ansatz sein Geld über eigene Handelsaktivtäten bei Consors, comdirect, OnVista oder ähnlichen Aktivitäten anzulegen. Brokerage. Online. Spaß!

 

Und das Selbstbewusstsein der Anleger ist gestiegen. Sie lassen sich auch nicht mehr von volatilen oder Bärenmärkten ins Bockhorn jagen. Man kann auch damit Geld verdienen. Die Produkte dafür gibt es mittlerweile auch reichlich. Zertifikate, CFD und andere strukturierte Produkte auch für Retailkunden sind en vogue.

 

Fehlt nur noch die Möglichkeit auch kleinste Kursschwankungen nutzen zu können. Dabei standen bisher die Gebühren im Weg. Eine Gebühr von 5 Euro pro Deal ist wie eine Tobin-Steuer. Sie würgt den Handel mit kleinen Kursdifferenzen ab. Aber, das Problem lösen im Moment die so genannten Null-Euro-Broker, bei denen der Tobin-Effekt weg ist.

 

Relativ neu sind die Robos, die eine Art technisches Anlagemanagement sind. Was bisher der Mensch macht, macht jetzt die Maschine. Sie empfehlen normierte Anlagestrategien für bestimmte Kundenprofile. Die Anlagestrategien selbst sind oft wissenschaftlich untermauert. Im Kern sind sie aber nur Fondsstrategien auf Basis von ETF. Ziel von ETF ist es nicht mehr die Performance eines Index zu schlagen, sondern die Performance eines Index zu treffen.

 

Man muss sehen, ob sich Robos durchsetzen. Eigentlich haben sie großen Charme. Der Prozess ist sehr kostengünstig, was gut für die Rendite ist. Sie sind zudem unabhängig von der Beratungskompetenz eines menschlichen Beraters. Der Anlagevorschlag ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar.

 

Wenn man das so liest, dann sieht man, dass die Entwicklungen bei der Geldanlage sehr vielschichtig und verwirrend sind. In dieser Melange von Entwicklungen kann man aber folgende Strukturen als aktuellen Sachstand festhalten:

 

  1. Die Banken und Vermögensverwalter bieten weiterhin das klassische Vermögensverwaltungsmodell an. Es ist persönlich und individuell.
  2. Das klassische Retailgeschäft über Banken und Finanzvertriebe ist weiterhin präsent, steht aber insbesondere regulatorisch unter Druck (MiFID II).
  3. Die in den 90er Jahren entstandenen Broker sind weiterhin existent und werden mittlerweile verstärkt von Null-Euro Brokern angegriffen.
  4. Daneben haben sich Internetgetriebene Wettbewerber mit einzelnen Facetten des Anlagemanagements etabliert. Das sind grenzüberschreitenden Festgeldanlagen und die Robo-Initiativen.
  5. Digitale Anlageformen wie Bitcoin und Konsorten haben es noch nicht geschafft aus der Schmuddelecke des Internet herauszukommen. Es gibt aber robuste Tendenzen, dass diese Dinge in der Zukunft mit mehr Ernsthaftigkeit und Seriosität betrieben werden.
  6. In der Tendenz ist Anlagemanagement zunehmend self-directed geworden. Auch bei den HNWI hat der reine persönliche Vermögensverwaltungsansatz keinen Bestand. Auch die HNWI wollen zumindest für einen Teil des Vermögens selbst „spielen“.

 

Zukunft: Neu definiert

 

Diese Strukturen sind natürlich immer in Bewegung. Ein Trend ist aber zu erkennen: Die einzelnen Teile stehen nicht mehr nebeneinander, sondern werden zu einem Gesamtmodell für Anlagemanagement verschmelzen. Nicht alle Modelle werden alle Elemente enthalten, weil die Zielgruppen auch nicht alles nachfragen, aber die Tendenz ist klar.

 

So erleben wir gerade, wie z.B. raisin seine Rolle als Festgeldmakler ergänzt um ETF-Sparprodukte.

 

Wir werden es erleben, dass auch ein Null-Euro-Broker wie justTRADE Fondssparpläne auf Basis von ETF auflegen wird.

 

Am weitesten ist scalable: Dort sind Brokerage, Vermögensaufbau und Festgeld in einem Modell verbunden. Dabei hat scalable das Festgeldthema mit raisin umgesetzt, das Brokerage mit der Baader Bank.

 

Auch die eher kleine Sutor Bank in Hamburg ist in diesem Spiel dabei: Sie hat ein klassisches Vermögensverwaltungsgeschäft für vermögende Privatkunden. Daneben hat sie einen großen Footprint im Retailgeschäft über Finanzvermittler. Seit einigen Jahren ist die Sutor Bank auch der Partner von Deposit Solutions im Festgeldthema und seit Anfang 2020 im Null-Euro-Brokerage mit just Trade vertreten. Auch Initiativen für BitCoin hat diese Bank bereits.

 

Sutor Bank ist weiter als scalable, was die Breite des Angebots angeht. Der Haken ist, dass die Angebote weitgehend nebeneinanderstehen und nicht miteinander verbunden sind. Das ist aber bei allen der Fall. Aber die Sutor Bank hat alle Anlagethemen weitgehend im Angebot.

 

Die Verbindung zwischen den Anlagethemen ist eine weitere Herausforderung. Nicht nur das Angebot von allen Anlageformen, sondern auch die Osmose zwischen den Anlageformen aus einem Guss wird zum kritischen Erfolgsfaktor. Die Anleger wollen nicht auf eine Form reduziert werden und sich auch nicht aufwändig um die Koordinierung zwischen den Formen kümmern. Breite und Verknüpfung der Angebote werden entscheidend sein.

 

Ein Beispiel für eine Verbindung wäre z.B. die zwischen Brokerage und Festgeld. Wenn ein Kunde im Brokerage die Gelegenheit nutzt, um Gewinne mitzunehmen, dann hat er auf seinem Konto Cash liegen, der mit Negativzinsen belastet wird. Warum diesen Cash nicht automatisch auf ein Tagesgeldkonto in der Festgeldfraktion schieben, bis eine Wiederanlage entschieden ist.

 

Man kann sich das auch als allabendlichen Prozess vorstellen, wo cash grundsätzlich nach Handelsschluss auf ein Tagesgeldkonto weggebucht wird. Oder das Tagesgeldkonto als virtuelle Buying Power genutzt wird und jeden Abend nur der Saldo aus den Handelsaktivitäten von diesem Konto aus ausgeglichen wird.

 

Es wird immer Kunden geben, die sich die einzelnen Themen selbst zusammensuchen wollen und selbst für sich ein Optimum finden wollen. Sie verzichten dann auf die Osmose, die Verbindung. Aber viele Kunden werden die Zusammenstellung an einer Stelle mögen und die Vorteile nutzen wollen.

 

Die Entwicklungen der Konsolidierung sind bereits im Gange und werden sich noch beschleunigen. Viel wird Online passieren. Viel wird ohne die klassischen Banken passieren. Es wird viel Kapital in diese Initiativen gehen. Und am Ende werden nur wenige Player übrigbleiben, die das Anlagemanagement sinnvoll adressieren.

 

Wir werden sehen.

 

 

 

Siehe auch:

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Tobin-Steuer

 

https://de.scalable.capital/

 

https://www.weltsparen.de

 

https://www.sutorbank.de//banking-platform/our-partners