Portale des Lebens (5)

Die ersten vier Teile dieses Beitrags waren ein Streifzug durch die Portale des Lebens seit dem Ende des zweiten Weltkriegs.

 

Es wurde dabei herausgearbeitet, dass die Portale schon immer das Leben beeinflussten. Sie entwickelten sich von lokal und analog, über regional und analog zu fraktional-digital und global. Heute stehen wir vor der nächsten Stufe: Integriert-digital und global.

 

MyLife-Portale

 

Digitalisierung, Big Data und Software machen es heute möglich Portale bereitzustellen, die den gesamten Zyklus des Lebens abdecken. Und das ist mehr als das heutige Kachelbrimborium auf unseren Smartphones.

 

Und vor allem sind sie individualisiert. Es gibt maximal bestimmte Typisierungen, wie z.B. den Typus des gutverdienenden Single oder den Typus der modernen Hausfrau. Der Typus ist dann so etwas wie eine 80%-Lösung der Interessen und Notwendigkeiten des Lebens eines bestimmten Typus. Die restlichen 20% sind dann individuell zusammenzustellen.

 

Zu abstrakt? Ein kleines Beispiel.

 

Montagmorgen. Ich bin eine alleinerziehende Mutter. Ich bin schon wach und mein Badezimmerspiegel (ein Device mit Verbindung zum Internet) hat mir gerade gesagt, dass ich mir Zeit lassen kann. Die Autobahn auf meinem Arbeitsweg ist gesperrt. Losfahren lohnt sich nicht, weil nichts geht. Der Spiegel sendet auf meine Anweisung diese Mitteilung auf das Mobile meines Chefs, damit er Bescheid weiß, dass ich später komme.

 

Danach sitze ich in der Küche, wo schon mein Kind mit anderen Kindern über den Bildschirm des Frühstückstischs chattet und sich für den Nachmittag verabredet. Ich muss also mein Mobile nehmen, wenn ich meinen Tag managen will.

 

Zusammen mit dem ersten Kaffee schaue ich auf mein MyLife-Portal und sehe zunächst die Montagmorgen-Alert-Box durch. Wichtigste Nachrichten: Der neue Prospekt von Aldi und von Lidl. Das Portal hat die Prospekte bereits mit meinen Einkäufen der letzten 12 Monate verglichen (Meine Einkäufe sind komplett im Portal gespeichert). Das Portal weist mich darauf hin, dass ein paar meiner regelmäßigen Produkte im Angebot sind und fragt mich, ob Bedarf besteht (Mein Kühlschrank und mein Vorratsschrank sind leider noch konventionell, sodass das Portal nicht weiß, was noch vorhanden ist). Ich klicke bestimmte Produkte an, die ich brauche. Sie wandern in meinen Einkaufswagen.

 

Als nächstes bietet Lidl die Kochboxen der Woche an. Diese sind vorselektiert auf Basis meiner bisherigen Käufe und bekannten Vorlieben. Ich wähle für mich und mein Kind gesunde Mahlzeiten für die ganze Woche aus. Lidl stellt die Zutaten dafür passgenau für zwei Personen zusammen. Ab in den Einkaufswagen.

 

Die Einkäufe bei Aldi und Lidl sind beendet. Zum Abschluss wird ein Liefertermin festgelegt. Ich wähle Montagabend. Genaue Uhrzeit wird noch festgelegt. Sobald ich das Büro verlasse, sendet mein Portal eine Nachricht an beide, dass ich in 30 Minuten zu Hause bin und sie dann liefern können. Nach dem Einkauf werden die Rezepte für die gesunden Mahlzeiten digital in das Portal gesendet.

 

Als nächste Nachricht erscheint die Vorschlagsliste für die regelmäßige monatliche Lieferung der Drogerieartikel. Kurze Prüfung. Waschmittel ist noch genug da. Streichen von der Liste. Abschicken. Lieferung heute Abend. Bezahlt wird per Abbuchung.

 

Nach den Einkäufen meldet sich spontan die Rabatt-Anwendung. Mit den neuen Einkäufen ist mein Kontostand so hoch, dass ich einen Monat Netflix kostenfrei beziehen kann. Nach der Bestätigung durch mich, wird bei Netflix das Abo automatisch durch die Rabatt-Anwendung ausgesetzt.

 

Als letztes mahnt die Alert-Box den Zahnarzttermin für das Kind an. Der letzte war vor 5 Monaten und 23 Tagen. Mit einem Klick fordere ich die MyLife-Gesundheitsanwendung auf, einen Termin zu machen. Dabei berücksichtigt die Anwendung den Stundenplan in der Schule und die regelmäßigen Termine außerhalb der Schule und auch meine Termine. Der vereinbarte Termin wird dann im Kalender notiert.

 

Eine neue Meldung kommt von der Finanz-Anwendung. Durch meine Einkäufe wäre mein Konto im Negativen. Die Anwendung schlägt vor, dass sie den entsprechenden Betrag vom verzinsten Tagesgeldkonto auf das Girokonto überweist, damit keine Sollzinsen anfallen.

 

Außerdem hat die Finanz-Anwendung festgestellt, dass 90% der Analysten davon ausgehen, dass Aktienwerte mit Schwerpunkt in Büroimmobilien unattraktiv werden. Der Home-Office-Trend verstärkt sich nämlich noch mehr. Sie schlägt deshalb vor, alle ETF-Investments, die solche Werte signifikant beinhalten, gegen andere auszutauschen. Mit einem Klick gebe ich die Umschichtung frei. Alles weitere läuft automatisch.

 

Jetzt ist erst einmal Schluss. Das Kind und ich müssen los.

 

Eine Welt ohne Friktionen

 

Das kleine Beispiel soll deutlich machen, dass die Fragmente, die Einzelkacheln der heutigen Apps, zusammenwachsen zu einer echten friktionsfreien Unterstützung des Lebens.

 

Dabei werden die Fragmente zu neuen Lösungen intelligent verbunden. Diese Verbindungen machen bisher existierende Kacheln überflüssig. So sind z.B. Zahlungsprozesse integrierter Bestandteil der Realprozesse. Ebenso Logistikprozesse, wie die Lieferung von Lebensmitteln, laufen ohne aktive Einbindung der Menschen ab.

 

Auch aktive Informationssuchprozesse und Wissensprozesse werden stark reduziert. Sonderangebote müssen nicht mehr gesucht werden. Auch, dass das Rabattkonto für einen kostenfreien Netflix-Monat reicht, muss man nicht wissen.

 

Außerdem werden Alltagsgegenstände zu Portalen, die integriert werden. Das Portal läuft quasi nicht auf einem Device, sondern auf jedem Gegenstand im persönlichen Umfeld. Badezimmerspiegel, Kühlschrank und Vorratsschrank sind Teile des Portals.

 

Player

 

Die hier skizzierten Portale sind quasi das Betriebssystem des Lebens. Die Frage ist nun, wer solche Portale zur Verfügung stellen kann. Wer hat die besten Voraussetzungen dafür.

 

Die besten Voraussetzungen haben natürlich die Apples und die Googles dieser Welt. Sie sind ja schon die Sammelstellen der Fragmente auf ihren Phones und Betriebssystemen.

 

Aber auch unabhängige Softwareanbieter könnten sich auf den Weg machen die Einzelkacheln zu verbinden. Man wird sehen.

 

Eins ist aber klar: Die Portalanbieter werden der Mittelpunkt des Lebens der Menschen sein. Sie verbinden die Einzelkacheln zu Lösungen für das Leben. Sie bieten den eigentlichen Mehrwert. Die Kacheln aber sind nur noch Komponenten, Produktlieferanten. Im Bild eines Supermarktes (=Portal) streiten sie sich nur um die besten Plätze im Regal an den Hauptlaufwegen der Kunden.

 

Einige Kacheln werden dabei wichtiger sein als andere. Der Beitrag von Aldi als Lieferant von Produkten des täglichen Bedarfs ist sicherlich relevanter als die Angebote eines Philatelisten. Es sei denn, ich bin leidenschaftlicher Sammler.

 

Und die Banken?

 

Die heutigen Banken haben ihren Bedeutungsverlust noch nicht richtig verstanden. Sie glauben, sie könnten ihre Sorgen lösen, indem Sie Kacheln werden. Das ist ein Irrtum. Sie sind im Gegenteil schon durch die fragmentierte Kachelwelt von heute in Bedrängnis geraten, weil viele Finanzprozesse dort auch schon quasi automatisiert ablaufen. Und auch durch erste Portalansätze, die auf Finanzen beschränkt sind, wie z.B. Vergleichsportale.

 

Und durch MyLife-Portale wird dieser Trend noch verstärkt.

 

Vor kurzem gab es dort aber eine bemerkenswerte Ausnahme. Der Vorstand der Fiducia hat einen radikalen Ansatz für die Volks- und Raiffeisenbanken formuliert, um im Portal der Menschen Relevanz für seine Banken zu kreieren. Im Kern geht es darum auch neben Bankdienstleistungen andere Mehrwerte bieten.

 

Aber solche Ausnahmen werden nicht reichen, um den Gesamttrend abzuwenden. Der Gesamttrend geht dahin, dass Banken zu reinen Produktlieferanten und Abwicklern im Hintergrund werden. Sie werden nicht nur ihre Visibilität verlieren, sondern auch ihre Relevanz für die Menschen. Sie werden nur sehr untergeordnet in den MyLife-Portalen vorkommen.

 

Diese Portale werden noch einige Jahre brauchen bis sie die Ausgestaltung haben, wie skizziert. Diese Schonfrist haben viele Spieler im Markt. Aber sie werden Realität werden.

 

Und was ist danach?

 

Das Schlimmste an solchen Analysen der Zukunft ist, dass man nach dem Aufschreiben der Prognose den Eindruck vermittelt, es wäre dann vorbei mit der Entwicklung.

 

Ist es aber nicht. Der nächste Schritt wird dann sein, dass die Portale dann auch verschwinden werden, weil wir sie nicht mehr brauchen. Den letzten Rest von menschlichen Aktivitäten in den hier dargestellten integrierten Portalen werden dann Bots übernehmen. Bots im Hintergrund.

 

Bots sind Softwareroboter. Dann wird ein Softwareroboter mit einem anderen Softwareroboter in meinem Namen ein Geschäft abschließen und wird es mir danach vielleicht noch mitteilen. Der Einkauf z.B. wird von einem Bot komplett abgewickelt. Unter Berücksichtigung meiner Vorlieben, meines Gesundheitszustandes, meiner finanziellen Möglichkeiten etc. Die Assistenten werden aktivistischer. Sie machen nicht Vorschläge, wie in MyLife-Portalen. Sie tun´s.

 

Das werden die Bots dann auch bei allen Dingen tun, die Finanzen berühren. Der verzweifelte Versuch der Banken mit ihren Kunden noch zu kommunizieren ist dann endgültig gescheitert.

 

Jetzt werden viele denken: Niemals! Doch! Und warum? Weil Bots einfach besser wissen, was gut für mich ist. Und ich werde ihnen vertrauen. Schöne neue Welt.

 

Schluss.

 

Siehe auch:

 

https://www.youtube.com/watch?v=5davX8tYkjc

 

https://www.amazon.de/2030-viel-Mensch-vertr%C3%A4gt-Zukunft/dp/3947590040

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Bot