Was haben Tönnies und Banken gemeinsam?

Tönnies? Wer ist Tönnies?

Die Menschen im beschaulichen Rheda-Wiedenbrück (das ist in Deutschland) kennen Tönnies, weil er der größte Arbeitgeber der Region ist. Wir alle kennen Tönnies. In jedem Supermarkt sind seine Produkte präsent. Wer kennt nicht Böklunder, Könecke oder Redlefsen? Wer hat bei Aldi oder Lidl noch nicht Landjunker oder Meine Metzgerei in der Hand gehabt? Alles Tönnies! Fleisch in jeder Form.

 

Das Unternehmen und auch sein Boss haben gerade größere Probleme. Sie haben in ihrer Zentrale in Rheda-Wiedenbrück den größten Corona-Hotspot in Europa zu vertreten. Über 1300 Mitarbeiter sind innerhalb von ein paar Tagen dort positiv getestet worden. Perspektivisch muss der gesamte Landkreis Gütersloh (da liegt Rheda-Wiedenbrück!) dicht gemacht werden.

 

Der Knackpunkt für diese mittlere Katastrophe sind wohl die generell prekären Produktionsverhältnisse in der Fleischverarbeitung dort. Die Zerlegeplätze für Tierkadaver sind so gestaltet, dass Abstand wohl nicht möglich ist. Außerdem ist das eine schwere und anstrengende Arbeit, wo auch viel geschnauft wird. Perfekt zum Anstecken und zum spreaden. Wir haben es mit einem Superspreader zu tun. Das ist ein Punkt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Prekäre dadurch verschärft wird, dass Tönnies diese Fleischverarbeitung zu einem großen Teilen als Werkverträge von fremden Dritten abwickeln lässt. Das sind Dienstleister, die aus dem fernen osteuropäischem EU-Ausland kommen und ihre Mitarbeiter dort für Dreckslöhne eine Drecksarbeit machen lassen. Hinzu kommt, dass diese Menschen während der Zeit in Deutschland dann auch noch beengt leben müssen, weil eine abstandswahrende Unterkunft nicht im Preis inbegriffen ist. Tönnies weiß das alles selbstverständlich, interessiert ihn aber nicht wirklich. Er hat ja Werkverträge. Er ist dafür nicht verantwortlich. Er hat sozusagen schuldbefreiend outgesourct. Interessant, gell? Es ist einem deutschen Unternehmen egal, dass seine Produktion Menschenleben gefährdet.

 

Perspektivwechsel.

Banken sind auch große Outsourcer. Die Volksbank Bielefeld-Gütersloh eG oder die Kreissparkasse Wiedenbrück haben beide große Kernbereiche des Bankgeschäfts im Outsourcing. Beide haben z.B. ihre komplette IT entweder an die Fiducia-GAD oder die Finanz-IT gegeben und haben dafür auch Serviceverträge abgeschlossen. Das ist nur ein kleines Beispiel. Dieses Outsourcing ist - Achtung, Unterschied - aber nicht schuldbefreiend. Banken sind gemäß den Mindestanforderungen für das Risikomanagement (MaRisk) und zusätzlich gemäß den Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT) verpflichtet das Outsourcing von Kerngeschäftsprozessen einer Bank so zu steuern, als wenn sie es nicht im Outsourcing hätten. Sie können sich bei Problemen nicht darauf berufen, dass sie wegen des Outsourcings keine Verantwortung mehr haben. Wenn der Outsourcer irgendetwas falsches macht, ist die Bank schuld.

 

Das ist deshalb so, weil man verhindern will, dass durch Outsourcing die Risiken auf Dritte abgewälzt werden, die der Bankkunde im Zweifel gar nicht kennt. Wenn dann etwas passiert und der Dritte unerreichbar auf den Cayman-Inseln sitzt, dann soll die Bank dafür geradestehen. Banken sind auch verpflichtet eine so genannte Dienstleistersteuerung organisatorisch in ihrer Bank zu verankern, die wiederum zu umfangreichen Kontrolltätigkeiten gegenüber Dritten verpflichtet ist. Die Vertragswerke zwischen Bank und Dienstleister müssen engen Regeln entsprechen und enthalten auch Berichtspflichten des Dienstleisters gegenüber den Banken. Schlussendlich ist die Dienstleisterüberwachung elementarer Bestandteil der Prüfungstätigkeiten der Wirtschaftsprüfer und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

 

Das hört sich schrecklich an. Ist es auch. Banking macht keinen Spaß mehr. Aber anders ist es nicht hinzubekommen, dass die Kundengelder sicher sind. In diesem Bereich hat man leider die Erfahrung gemacht, dass die Gier dazu führt, dass zu hohe Risiken eingegangen werden, auch beim Outsourcing.

 

Zurück zu Tönnies.

Der kennt keine „Mindestanforderungen an das Risikomanagement bei Töten, Zerteilen von Tieren und in den Umlauf bringen von Fleischprodukten“, die auch das Outsourcing betreffen. Er kennt keine Dienstleistersteuerung im Sinne von Risikomanagement. Er kann sich schuldbefreiend auf Werkverträge rausreden. Werkverträge sind nicht das Problem. Outsourcing ist nicht das Problem. Das wird nur zum Problem, wenn es dazu dient Kosten über niedrige Löhne und sonstige prekäre Arbeits-/Lebensbedingungen zu senken und gleichzeitig das Risiko zu verlagern. In der Pandemie wurde das Risiko noch einmal erhöht, weil die Ansteckungsgefahr hinzukam. Wurscht! Weitermachen!

 

Jede Bank, bei der sich durch exogene Faktoren das Risiko erhöht, muss das zusätzliche Risiko mit Eigenkapital unterlagen oder das Geschäft reduzieren. Tönnies kann dagegen munter weiter machen.

 

Die Politik setzt an den Werkverträgen an. Finde ich nicht adäquat. Werkverträge sind ok. Die Politik muss an der Regulierung dieses Geschäfts ansetzen. Wenn das nicht mit dem guten Willen der Unternehmer hinzukriegen ist, dann braucht man die Keule der Regulierung.

 

Warum nicht wirklich „Mindestanforderungen an das Risikomanagement für das Töten, Zerteilen von Tieren und in den Umlauf bringen von Fleischprodukten“? Die MaRisk sind inklusive Erläuterungen nicht einmal 75 Seiten lang. Sie beschreiben das aktive Risikomanagement der Kernprozesse einer Bank. Das sollte auch bei den Fleischhauern möglich sein. Außerdem sollten schuldbefreiende Werkverträge verboten werden und durch überwachte Serviceverträge ersetzt werden. Das könnte dann auch Gegenstand der Prüfung von Wirtschaftsprüfern beim Jahresabschluss sein. Ohne Compliance mit den Mindestanforderungen kein Testat.

 

Damit wäre auch die Diskussion beendet, dass Tönnies das alles ja nur macht, weil die Menschen billiges Fleisch wollen. Es kann sein, dass Fleisch dann teurer wird, aber das muss nicht sein. Auch bei Banken hat sich - gefühlt - die Kontoführung nicht durch die Regulatorik verteuert. Dann müssen die Kostenpotentiale für preiswürdiges Fleisch eben anders gehoben werden. Das ist dann eine interessante unternehmerische Herausforderung, auch für Tönnies. Aufhören muss, dass Unternehmen wie Tönnies die Risiken ihrer Tätigkeit wegdrücken und am Ende sozialisieren.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0