Was erlauben BaFin?

Ja, man steht fassungslos davor. Das Finanzdienstleistungsunternehmen Wirecard steht auf der Kippe. Ihm fehlt ein Viertel seiner Bilanz in Cash (!). Das kann ja alles wohl nicht wahr sein. Cash ist das am leichtesten zu prüfende Asset. Und der Wirtschaftsprüfer hat das versemmelt? Also wirklich!

 

1,9 Mrd. Euro fehlen. So etwas passiert nicht über Nacht. Ich vermute mal, dass sich dieser Betrag über Jahre aufgebaut hat. Auch schon für das Jahr 2018 war von 1 Mrd. Euro Dunkelziffer die Rede. Das würde zu der Aufbauthese passen.

 

Das würde bedeuten, dass Wirecard seit Jahren betrügt. Es ist schwer vorstellbar, dass das Management das nicht gewusst und gebilligt hat. Insofern ist es logisch, dass sich die Staatsanwaltschaft für Herr Dr. Braun interessiert.

 

Auch Ernst&Young werden sicherlich ans Kreuz genagelt. Sie sind der Abschlussprüfer von Wirecard und haben das nicht gesehen oder sehen wollen. Darüber kann man sich nicht freuen oder Häme entwickeln. Wirtschaftsprüfer sind eine wichtige Verteidigungslinie gegen solche Situationen. Und wenn sie nicht einmal eine ordentliche Kassenprüfung machen können, dann „Helm ab zum Gebet“.

 

Am unerquicklichsten erscheint mir die Rolle der BaFin in konkret diesem Fall, aber auch allgemein. Gott sei Dank hat der Chef Felix Hufeld recht unglücklich und zerknirscht eingeräumt, dass das wohl die größte Sauerei ist, die ihm zeitlebens untergekommen ist. Er hat auch eine Mitschuld der BaFin eingeräumt. Recht hat er.

 

Der Job der BaFin ist es solche Katastrophen zu verhindern. Warum schafft sie das nicht?

 

Zum Ersten hat sie das gleiche Problem wie die Polizei: Sie ist immer einen Schritt hinter den Kriminellen oder den Leichtsinnigen.

 

Zum Zweiten fehlt ihr wohl immer noch die eigene Kompetenz, um solche Dinge aus eigener Kraft aufzudecken. Sie bedienen sich deshalb quasi der Wirtschaftsprüfer als Erfüllungsgehilfen. Das ist vom Grundsatz nicht verkehrt… aber wer überwacht deren Arbeit eigentlich?

 

Die Antwort ist: Niemand. Da wird nur gejammert, wenn die Mist bauen, der zu einem Problem führt.

 

BaFin und generell die Regulierer haben die falschen Prioritäten.

 

Sie quälen die Banken mit monströsen Anforderungen an Überwachung und Dokumentation bis in die letzte Ecke. Und zwar jede Bank. Ob groß oder klein. Ob einfache Sparkasse oder stark wachsender internationaler Zahlungsdienstleister. Das sind alles Zeitfresser für eine Bank und mit hohen Kosten verbunden.

 

Man kann das auch so formulieren: Das Management einer Bank ist nicht Herr im eigenen Haus. Die Gestaltungsfreiheit ist massiv eingeschränkt. Die eigentlichen Herrscher in den Banken sind die Wirtschaftsprüfer und die BaFin, die ein kongeniales Schreckensregiment führen: Der eine macht die Regeln und der andere exekutiert sie.

 

Oder so: Man verzettelt sich mit einer aufwändigen Mikrokontrolle, statt die wirklichen Problemfälle zu finden. Um dem direkt vorzubeugen: Nicht weniger Misstrauen gegen Banken ist der Vorschlag, sondern gezieltes Misstrauen auf Basis eine Punkteregisters.

 

Wie könnte ein Punkteregister funktionieren?

 

Die Grundidee: Wenn ein Institut ein gutes Prüfungsergebnis hingelegt hat, dann erhält es Vertrauenspunkte. Wenn es kein gutes Ergebnis produziert, dann bekommt es Misstrauenspunkte. So hat jedes Institut ein Punkteregister bei der BaFin.

 

Punkterelevant können auch andere Kriterien (nach oben und nach unten) sein. Eine Häufung von Verbraucherbeschwerden bei der BaFin könnte zu Misstrauenspunkten führen. Man kann weitere Kriterien ergänzen, z.B. großes Wachstum des Geschäftsumfanges oder Wachstum in bestimmten Weltregionen. Da kann man sehr kreativ sein.

 

Erreichte Punkte sollten einen Verfalltermin haben. Davon sollten Misstrauenspunkte ausgenommen sein. Sie können nur gegen Vertrauenspunkte ausgeglichen werden.

 

Man kann sich nun vorstellen, dass jedes Institut abhängig vom Punktestand permanent, jährlich oder in längeren Abständen geprüft wird. Jedes Institut sollte aber auch unabhängig vom Punktestand geprüft werden. Das wird allein schon deswegen passieren, weil Vertrauenspunkte regelmäßig verfallen, aber wenn nicht, dann sollte eine Prüfung spätestens nach 3-4 Jahren passieren.

 

Mit einem solchen Punktesystem würde man die Banken motivieren eine hohe Compliance darzustellen, weil man dann nur alle drei bis vier Jahre den Aufwand und die Kosten haben könnte. Die Wirtschaftsprüfer können sich dann verstärkt um die wirklich schwierigen Fälle kümmern. Vielleicht gibt es dann auch nicht mehr solches Versagen wie bei Wirecard.

 

Ein weiterer Punkt könnte sein, dass die BaFin eine eigene Revisionskompetenz aufbaut, um Wirtschaftsprüfer zu prüfen, und einen Mechanismus definiert, welcher Wirtschaftsprüfer, wann geprüft wird. Man könnte sich vorstellen, dass ein Prüfer, der eine Bank drei Jahre lang nicht aus den Misstrauenspunkten herausprüft das mal in einer eigenen Prüfung erklären muss.

 

Ich gebe zu, dass das noch nicht zu Ende gedacht ist. Aber es ist ein Idee, um die Prüfungsqualität auf der einen Seite zu steigern, auf die wirklichen Probleme zu konzentrieren und die „guten“ Banken zu entlasten.

 

Die Banken haben sich das Misstrauen gegen sie redlich verdient. Wirecard beweist wieder, dass das immer noch berechtigt ist.

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