Schafft das Bargeld ab!

Lieblingsspielzeuge der Deutschen

 

Die Deutschen haben viele lieb gewonnene Spielzeuge. Eines davon sind Autos. Ein anderes das jeweils coolste Mobile.

 

Die liebsten Spielzeuge sind aber die, die kostenfrei sind. Mit Blick auf Finanzdienstleistungen sind das z.B. die Filialen. Es gibt viele Untersuchungen, dass die Kunden Filialen super finden. Aber nur wenige nutzen sie. Sie werden nicht wirklich gebraucht, schon gar nicht in der Dichte wie in Deutschland, aber weil es für uns Kunden umsonst ist, lieben wir es. Umsonst ist immer gut.

 

Genau so ist es mit Bargeld. Es kostet nix, es zu beschaffen und es zu nutzen. Deshalb lieben wir es. Wir lieben es auch, „weil wir dann nicht den Überblick verlieren, wieviel Geld wir noch haben“. Es gibt ja sogar Menschen, die Kontoverweigerer sein würden, wenn nicht erzwungen würde, dass die Rente unbar auf ein Konto überwiesen wird und auch die Miete nur unbar gezahlt werden kann.

 

Der Kniefall vor den Bargeld-Enthusiasten

 

Die Beschaffung von Bargeld ist in Deutschland in der Regel für die Menschen kostenfrei und weitgehend bequem.

 

Denn die Dichte der Geldausgabeautomaten (GA) ist beeindruckend. Sie liegt im Moment in Deutschland irgendwo zwischen 57.000 und 60.000 Stück. Es ist kein Problem einen GA zu finden, den man kostenfrei nutzen kann.

 

Das ist aber noch nicht alles. Hinzu kommt, dass man im Einzelhandel an der Kasse Auszahlungen wie an einem GA durchführen kann. Damit erhöht sich die Anzahl der GA um mehr als 22.000. Die Grundidee bei diesen GA ist es, dass die Menschen sich beim Edeka Geld holen können, weil die Bank in der Nähe dicht gemacht hat. Klingt auf den ersten Blick logisch. Auf den zweiten Blick ist das Blödsinn. Da wird vom Einzelhandel der Bargeldirrsinn unterstützt, obwohl sie die Gelegenheit hätten, die Kunden zu einer höheren Rate von bargeldlosen Transaktionen zu motivieren. Die Einzelhändler „saufen sich diesen Unsinn schön“, mit dem Argument, dass das Kostenproblem mit Bargeld verringert wird, weil sie dadurch geringere Kassenbestände und damit geringeren Admin-Aufwand haben. Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben nenne ich das.

 

Die Kosten für diese Infrastruktur sind haarsträubend (siehe unten). Aber die Kunden zahlen nichts dafür. Vielleicht indirekt über ihre Kontoführungsgebühren. Oops. Eher nicht, da die Deutschen auch kostenfreie Konten sehr lieben.

 

Die Nutzung von Bargeld ist für die Kunden auch kostenfrei. Und man kann fast alles in Deutschland auch bar bezahlen. Allerdings gibt es mittlerweile Höchstgrenzen von 10.000 Euro, die anonym ablaufen können. Ansonsten sind Sie zu personalisieren.

 

Handel und Banken haben die Kosten an der Backe

 

Der ganze Bargeldzirkus kostet die Banken und den Einzelhandel in Deutschland jährlich ca. 10,5 Mrd. Euro, die Banken tragen ca. 40% davon.

 

Bargeld weg… und dann?

 

Die 10,5 Mrd. würden nicht komplett verschwinden, da auch bargeldloses Zahlen Geld kostet. Eine Studie der Bundesbank mit Stand Anfang 2019 kommt vordergründig zu der Erkenntnis, dass der Handel (Banken sind nicht Gegenstand) durch das bargeldlose Zahlen nix gewinnen würde. Das liegt vor allem daran, dass die Kassierzeiten beim digitalen Zahlen sehr viel höher sind als bei Bargeld.

 

Aber die Studie kassiert diese Erkenntnis direkt wieder, denn sie simuliert die neue Situation, die durch PSD2 sich eröffnet: Sie berücksichtigt das damals noch neue Verfahren des kontaktlosen Zahlens ohne PIN. Damit sind die Kassierzeiten und andere Kostenbestandteile wesentlich kleiner und führen dazu, dass die bargeldlosen Transaktionen nur 60% der Bargeldtransaktion kosten.

 

Da diese Studie nur den Handel berücksichtigt, muss man den Effekt bei Banken zusätzlich abschätzen. Stramme Behauptung: Sie reduzieren sich auf die Hälfte, weil die gesamte Infrastruktur für Bereitstellung und Verarbeitung von Bargeld weitgehend wegfällt, aber die erhöhten elektronischen Transaktionen sicherlich die technische Infrastruktur zusätzlich belasten werden.

 

Das würde bedeuten, dass nach dieser wirklich groben Abschätzung ohne Bargeld 5 Mrd. Euro Kosten wegfallen. Das sind pro Bürger ca. 60 Euro im Jahr.

 

Der Weg zur Bargeldabschaffung wird hart

 

Aber: Das ist auch ein bisschen Milchmädchenrechnung. Auf dem Weg zur Abschaffung werden sich die Kosten für das Bezahlen erhöhen, weil die Veränderungsprozess bestehende Skalen verschlechtert, bevor die Kosten verschwinden. Aber ist das ein Grund es nicht zu tun. Nein. Es war schon immer eine schlechte Idee in eine Sackgasse weiter reinzufahren, nur weil die Straße schön geteert ist. Wenn man am Ende der Sackgasse angekommen ist, wird es nur noch teurer wieder auf eine vernünftige Straße zu kommen.

 

Die letzten Monate mit Corona haben zudem gezeigt, dass es auch bargeldlos geht. Der Deutsche lässt sein Spielzeug los, wenn es um ein noch wichtigeres Thema geht, die Gesundheit. Man darf gespannt sein, wenn erste Analysen zum Bezahlen aus dieser Zeit gemacht worden sind. Das wird spannend und hoffentlich auch zur Erkenntnis beitragen: Bargeld ist out, weil teuer und unpraktisch.

 

Quellen:

https://www.bundesbank.de/resource/blob/776464/16e3a025236aa4d52f1b2c0a27e1b852/mL/kosten-der-bargeldzahlung-im-einzelhandel-data.pdf

http://www.steinbeis-research.de/images/pdf-documents/CFP_Cost_Of_Cash_Studie_Steinbeis_Deutsch.pdf