Wertpapierabwicklung in Deutschland verändert sich – wieder mal

Seit 25 Jahren arbeiten wir in Deutschland an der Effizienz der Wertpapierabwicklung. Die Idee war brillant: Industrialisierung von Back Office-Prozessen. Das sind Skaleneffekte durch große Mengen und Kosteneffizienz durch STP (Straight Through Processing). Industrialisierung geht nur über Konsolidierung von Manufakturen zur industriellen Großfertigung.

 

Die Idee des Out- und Insourcing für den Wertpapierabwicklungsprozess war geboren. Bisher ist das nicht wirklich eine Erfolgsgeschichte.

 

Der Leidensweg der Konsolidierung

 

Ab den 90er Jahren wurden rund ein Dutzend Serviceeinheiten etabliert, die alle als Basis für die Aufnahme von anderen dienen wollten. Das konnte so nicht funktionieren. Wenn jeder Volumen einsammeln will, aber keiner abgeben will, dann ist das schlicht nicht möglich. Weiter Zersplitterung statt Konsolidierung waren die Folge.

 

Das löste sich erst nach und nach über einen quälend langen Prozess und führte zu der Situation, die wir bis vor ca. 2 Jahren hatten, auf die wir noch kommen.

 

Die Investitionen waren gewaltig. Hunderte Millionen von Deutsche Mark (Richtig, so lange läuft das schon) und Euro wurden in den Projekten ausgegeben. Große Anstrengungen mussten unternommen werden, um die Technologien herauszulösen aus den bestehenden Umfeldern und um sie fit zu machen für Drittkunden. Das war sicherlich nötig, aber vor dem Hintergrund der organisatorischen Zersplitterung zu Beginn, viel zu viel.

 

Im Laufe dieses Prozess wurde auch klar, dass die verfügbare Technologie ein Problem war: Die meisten verfügbaren Anwendungen für die Wertpapierabwicklung hatten eine gewisse Reife (Maturity). Die meisten werden wohl wissen, was das heißt: Eigentlich end-of-lifecycle! Die meisten Spieler verzichteten jedoch darauf dieses Problem grundsätzlich anzugehen und „beatmeten“ weiter ihre bestehenden Softwaresysteme. Die meisten haben dieses Problem nicht mal eingesehen. Alle fanden ihre Anwendung großartig.

 

Jeder erfahrene Softwaremanager weiß jedoch, dass Investitionen in reife Softwaresysteme immer größer werden und immer kleineren Nutzen bringen. Das war ein Kernproblem der letzten Jahre. In dieser Sackgasse befinden sich einige Spieler immer noch und der Weg heraus wir immer schwieriger.

 

Andere wiederum hatten ein anderes Modell. Für Sie war die Technologie nicht so wichtig. Sie konzentrierten sich auf das Verschlanken von Prozessen. Das Dumme ist nur, dass Technologie ein limitierender Faktor für Verschlankung ist, da Verschlankung auch immer mit Automatisierung und STP zusammenhängt. Der eine oder andere verstand Verschlankung auch darin, dass er Lohn-Arbitrage machte. Das ist Auslagerung von Prozessen in Niedriglohnländer, wie Indien. Am Ende des Tages ist das auch eine Sackgasse.

 

Hinzu kamen – und das konnte man nicht ahnen – andere Strukturbrüche. Da ist zunächst das Internet zu nennen. Die dadurch entstehenden Online Broker in Verbindung mit dem Wahnwitz des Neuen Marktes beförderten das Wertpapiergeschäft in eine neue Dimension, was Volumen und Geschwindigkeit angeht.

 

Ein weiterer Bruch war die damit durchaus zusammenhängende Zunahme an Regulierung bzw. Steuergesetzgebung. MaH, MaRisk, Mifid, Factca, CRS, Abgeltungssteuer sind nur einige Beispiele. Diese haben den Fokus für Wertpapier-Services verschoben: Statt Kostensenkungen zu erreichen, ging es nun primär darum die regulatorischen Anforderungen zeitgerecht zu erfüllen und damit den Kunden weiterhin Wertpapiergeschäfte zu ermöglichen. Wenn man so will, dann mutierten die Wertpapier-Service-Veranstaltungen von einem Industrialisierungsprojekt zu einem konzertierten Risikomanagement für die Fähigkeit Wertpapiergeschäfte anbieten zu können. Die Bündelung der Kompetenz für Regulatorik bei den Anbietern von Wertpapier-Service ist der eigentliche Nutzen heutzutage.

 

Auch die Altersvorsorge ist seit den 90ern im Wandel. Mit der Forcierung einer dritten Säule (der privaten Vorsorge) wurden auch Wertpapiere in allen Varianten in den Fokus gerückt. In diesem Zusammenhang wurden die Menschen verstärkt mit Fonds-Produkten über Banken, aber vor allem über Direktvertriebe, beglückt. Dadurch entstand ein Seitenzweig zu den Wertpapier-Service-Anbietern: Abwickler für Fondsgeschäft unter besonderer Berücksichtigung von Direktvertrieben, z.B. Fondsdepotbank, Frankfurter Fondsbank, ebase und weitere. Bisher ist es nicht gelungen, diesen Seitenzweig in die klassischen Wertpapier-Services zu integrieren oder dort eine Konsolidierung zu erreichen.

 

Aktuelle Situation

 

Die Situation heute ist zwiespältig. Es gibt Erfolgsgeschichten.

 

Das wäre beispielsweise der Anbieter HTNG (HSBC Trinkaus-Tochter). Dort hat man die Services auf der modernen Plattform GEOS anbieten können, die für einen so genannten Mandantenbetrieb entwickelt wurde. Das passt perfekt. HTNG ist im Laufe der Zeit organisch gewachsen und hat bisher nie bei einer Migration von Volumen auf ihre Plattform signifikant auch Mitarbeiter oder Assets von ihren Mandanten übernehmen müssen. Dadurch hat die HTNG nie ihre Kostenstruktur geschwächt.

 

Die dwp ist sicherlich mittlerweile auch eine Erfolgsgeschichte, auch wenn das ihre Kunden und Shareholder nicht immer so sehen. Dabei muss man wissen, dass die „Rucksäcke“, die die Shareholder der dwp im Rahmen der Konsolidierung aufgebürdet haben, noch längst nicht alle abgelegt sind. Anwendungsarchitektur und Kostenstruktur sind noch nicht wirklich im 21. Jahrhundert angekommen. Auch sind die Reaktionsfähigkeit und Flexibilität immer ein Thema.

 

Es gibt aber auch Misserfolge.

 

Die Deutsche Bank ist mit ihrer Initiative nicht erfolgreich gewesen. Xchanging als Partner der DB hat es nicht hinbekommen eine stabile Kundenbasis auf Basis der DB-Plattform aufzubauen. Die Deutsche Bank hat vor einiger Zeit das Gesamtthema wieder integriert.

 

Bei der Seitenlinie mit den Fondsabwicklern ist der Status im Wesentlichen stabil. Die großen Fondsgesellschaften der Sparkassen und Geno-Banken und der Deutschen Bank haben immer noch eigene Abwicklungen in ihrem Umfeld. Sie sind weder Inhouse noch extern konsolidiert. Das gleiche gilt für die Gilde der Fondsdepotbank, FFB, ebase etc. Dort hat es zwar vereinzelt Konsolidierungen gegeben, aber die Big Boys sind immer noch allein.

 

Neue Dynamik

 

An vier Stellen gibt es jetzt wieder Dynamik.

 

Die erste Dynamik ist, dass die Commerzbank sich entschlossen hat, den eigenen Weg zu verlassen. Das Thema ist sicherlich auch im Gesamtkontext der krisenhaften Situation der Bank zu sehen. Um diesen fetten Happen haben sich im Wesentlichen dwp und HTNG bemüht. Die HTNG bekam den Zuschlag. Das Projekt läuft bereits seit mehreren Jahren und ist, was man so hört, durchaus ruckelig auf dem Weg. Am Ende wird es funktionieren. Da bin ich sicher. Es wird aber bestimmt noch mehr als zwei Jahre dauern.

 

Die andere Dynamik nimmt gerade wieder Fahrt auf, was man so hört. Die dwp-Shareholder Sparkassen und Geno-Banken sind jeder für sich nicht wirklich glücklich mit der dwp. Das mag daran liegen, dass Sparkassen und Geno-Banken dann doch sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, die auch in die dwp projiziert werden. In Summe ist die Frage der Zukunft der dwp – auch nach dem Nichtgewinn der Commerzbank – wieder in der Diskussion. Der Lösungsraum ist jedoch im Moment sehr klein. Deshalb wird es noch dauern. Die Dynamik hier manifestiert sich eher in einem Diskussions- und Meinungsbildungsprozess und nicht so sehr in konkreter Aktion.

 

Die dritte und vierte Dynamik sind zwei neue Spieler aus dem Ausland. Einerseits avaloq aus der Schweiz, andererseits die FNZ Ltd. aus UK/Neuseeland.

 

Avaloq war schon lange umtriebig, um ihr reifes Schweiz-Geschäft durch einen Wachstumsmarkt zu ergänzen. Deutschland liegt da natürlich aus Schweizer Sicht nahe. Avaloq ist aber nicht auf den Wertpapierprozess limitiert, sondern möchte mit seiner Gesamtbankanwendung zum Zug kommen. Das ist ihnen bei der apobank gelungen. Eine gewisse Finesse bekommt dieser Deal dadurch, dass avaloq dort im Gespann mit DXC Technology anbietet und arbeitet. DXC ist ein Merger von CSC und HP Enterprise. Damit konnte der apobank ein Gesamtkonzept aus Betrieb und Software angeboten werden, der sehr vertrauenserweckend ist. Allerdings ist es schon sehr mutig, dass ein eher mittelständisches Spezialinstitut sich auf ein solches Projekt einlässt, dass auf größer 100 Mio. Euro taxiert wird.

 

Eine kleine Baustelle in diesem Riesenprojekt ist, dass avaloq die Wertpapierabwicklung der apobank mit Mann und Maus übernimmt. Avaloq nennt das BPaaS (Business Process as a Service). Das passt natürlich zu den anderen kleinen Veranstaltungen von avaloq, die schon in Deutschland existieren. Wohin das alles führen soll, ist unklar. Aber eines ist klar: Wenn das Konstrukt apobank ans Fliegen kommt, dann hat die avaloq ein Komplettangebot inklusive BPaaS für mittelständische Banken, für die es im Moment wenig Optionen für eine gute IT gibt. Und davon gibt es eine ganze Reihe.

 

Und zum Schluss noch eine weitere Petitesse: DXC ist der Eigentümer der Fondsdepotbank. Da kann man sich schon vorstellen, dass avaloq und DXC eine gemeinsame Veranstaltung für das Wertpapiergeschäft etablieren, denn beide Einzelteile sind auf lange Sicht zu klein.

 

Schlussendlich FNZ. FNZ hat sich zunächst sehr leise, dann aber mit einem großen Knall auf dem deutschen Markt etabliert. FNZ kommt schwerpunktmäßig nicht aus dem klassischen Wertpapiergeschäft, sondern aus dem Wealth Management. Ihre Kunden in UK sind eher Retail-Vermögensverwalter und Versicherungen und damit solchen Unternehmen wie Fondsdepotbank oder ebase sehr ähnlich. Aber die Lösungen sind auch gemacht für klassische Wertpapiergeschäfte.

 

Leise war der Einstieg deshalb, weil man mit der Sutor Bank als ersten Kunden einen eher kleinen Antritt machte. FNZ hat mittlerweile dort ein Teil des Geschäftes live auf seiner Plattform und zwar das Geschäft mit dem Broker justTrade, der eine Marke der Sutorbank ist. Das ist aller Ehren wert und scheint rund zu laufen, weil man auch nichts Negatives hört.

 

Der große Knall war dann der Erwerb der ebase und – seit heute bestätigt – die Akquisition des Wertpapiergeschäfts der Augsburger Aktienbank.

 

Für einen Außenstehenden deutet sich an, was die Strategie sein könnte. Eins scheint klar: Man bleibt schwerpunktmäßig doch beim Wealth Management mit Fonds. Ob es dabei sinnvoll ist potentielle Kunden zu kaufen statt zu gewinnen, scheint mir zumindest zweifelhaft. Das könnte doch andere künftige potenzielle Kunden, die Wettbewerber von ebase und AAB sind, verschrecken. Oder den Preis treiben. Wenn man sieht, was für ebase bezahlt wurde, dann könnte Fidelity für die FFB auch einen netten Preis aufrufen. Alles Spekulation.

 

Fakt ist: Beide neuen Player sind da. Sie greifen die etablierten eher nicht frontal an, aber machen deren Wachstumspfade enger. Außerdem haben unzufriedene Kunden der Etablierten jetzt wieder Alternativen.

 

Was bringt die Zukunft?

 

Keiner spricht mehr von Skalen. Jeder spricht davon, dass er die „Kopfschmerzen“ mit der Regulatorik nicht mehr haben will. Regulatorik ist der Treiber für diesen Prozess in der Zukunft.

 

Meine langfristige Prognose ist, dass

  • die dwp aufgeteilt wird zwischen Sparkassen und Genossen
  • die HTNG mit den bestehenden Kunden und dem ein oder anderen neuen Kunden gute Geschäfte machen wird
  • für die Deutsche Bank eine Konsolidierung im Konzern (mindestens Europa) eine langfristige Option ist
  • die avaloq (mit DXC) ein Reihe mittelständischer Banken mit Gesamtbankanwendungen servicieren wird und dabei auch das Wertpapiergeschäft vereinnahmen wird
  • die FNZ zunächst erst einmal ihr Geschäft bei ebase und AAB plattformtechnisch konsolidieren muss, bevor sie neue Kunden sinnvoll gewinnen kann. Das ist noch ein weiter Weg, da die FNZ-Plattform die wichtigen Themen, wie Riester und Rürup, mit Sicherheit nicht beherrscht. Woher auch? FNZ wird weiter sehr stark im Wealth Management verwurzelt sein.

 

Als Ergebnis eines Prozesse von dann 40 Jahren wäre das dann ganz annehmbar.

 

 

 

Siehe auch:

 

https://www.fondsdepotbank.de/unternehmen/unsere-konzernzugehoerigkeit/

 

https://www.it-finanzmagazin.de/apobank-lagert-wertpapierabwicklung-75-it-mitarbeiter-avaloq-101490/

 

https://www.fondsprofessionell.de/news/unternehmen/headline/ebase-uebernimmt-wertpapiergeschaeft-der-augsburger-aktienbank-198835/