Ist die Commerzbank zu retten?

 

Die Commerzbank ist schon seit Jahren in einer Negativspirale. Die Berichterstattung war durchaus immer prominent dazu. In der letzten Woche war es wieder mal so weit.

 

Was war passiert. CEO Zielke hat die Faxen dicke. Kritik, Kritik, Kritik. Das nervt. Er will raus aus seinem Vertrag. Ich verstehe das. Er kämpft einen schwierigen Kampf und in der der ersten Reihe, fußfrei, sitzen die Klugredner und wissen alles besser. Sollen sie doch ihren Dreck allein machen, denkt er sich, vielleicht.

 

Die Frage ist: Kann es jemand besser? Oder noch schlimmer: Ist da überhaupt Potential? Meine Einschätzung vorweg: Ja, aber!

 

Ein Blick zurück

 

Ein Unternehmen in der Gewichtsklasse einer Commerzbank stirbt selten von heute auf morgen. Das Sterben ist ein langer Prozess, der schleichend beginnt, durch Fehler verstärkt wird und irgendwann nicht mehr zu verhindern ist.

 

In den 1990er Jahren war die Commerzbank eine der wichtigsten Banken in Deutschland zusammen mit der Deutschen und der Dresdner. Sie war groß und relevant als Partner für Privatkunden und Unternehmen.

 

Das war aber auch die Zeit von zwei wesentlichen Strukturbrüchen.

 

Der erste war das Internet. Und damit die Möglichkeit, das hässliche BTX-Banking abzuschalten und Browser-Banking weiter zu entwickeln. Das wahre Online-Banking war geboren. Noch etwas skeptisch adaptierten die Banken das, auch die Commerzbank. Sie gründeten Online-Töchter für diesen neuen Kanal. Inhouse wollte das eigentlich keiner wirklich haben.

 

Und die Commerzbank war mit der comdirect richtig erfolgreich. Sie entwickelte sich stabil zu einer Vollbank mit einer Kundenzahl im mehrfachen Millionenbereich. Das ist eigentlich eine der letzten wirklichen Erfolgsmeldungen der Commerzbank mit Bestand.

 

Der zweite Strukturbruch war die zunehmende Globalisierung. Banken mussten auch global werden und sich im weltweiten Investment Banking positionieren. Das war natürlich auch ein Thema für die drei Großen. Die Deutsche kaufte dazu Bankers Trust, die Dresdner Kleinwort Benson und Parella Wasserstein. Bei der Commerzbank passiert nichts Anorganisches. Das Investment Banking wurde organisch aufgebaut.

 

Die Deutsche Bank machte zunächst auch eine gute Figur. Wie man heute sieht, zu einem hohen Preis, was Risiken und Reputation angeht. Die Dresdner Bank ging dabei voll auf die Bretter und wurde im Jahre 2000 von der Allianz übernommen, womit quälende 8 Jahre für sie begannen, an deren Ende die Fusion mit der Commerzbank stand.

 

Dresdner und Commerzbank hatten die Globalisierung nicht geschafft und waren damit im strategischen Nirwana: Zu klein für Globalisierung, zu groß für Deutschland.

 

2008 war es dann soweit: Die beiden schwächelnden Großbanken Dresdner und Commerz fusionierten. Warum zwei Fußkranke zusammen einen guten Mittelstreckenläufer ergeben sollen, erschloss sich mir damals schon nicht. Es war ein Fehler. Es entstand eine riesige „Sparkasse“ mit einem überdimensionierten Filialnetz und einer auch ansonsten schwierigen Kostenstruktur mit ein paar Sprenkeln in Europa. Wer braucht so etwas?

 

Und dann kann auch noch Pech dazu, die Finanzkrise 2009. Hätte sich die fusionierte Bank ohne Krise erst einmal stabilisieren können, dann war das mit der Krise hinfällig. Die Bank wackelte gewaltig und musste durch den Staat gestützt werden.

 

Nachdem mit dieser Hilfe eine Stabilisierung stattfinden konnte, war dann die strategische Frage wieder auf dem Tisch: Was tun? Die Antwort: Digitalisierung und weiteres Kundenwachstum bei reduzierten Kosten.

 

Aber Kundengewinnung kann in verteilten Märkten immer nur zu Lasten der Rendite gehen. So war es dann auch: Es wurden massiv Kunden (> 1 Mio.) gewonnen, aber die Ergebnisse wurden nicht besser.

 

Auch die Digitalisierung kommt bisher nicht wirklich vom Fleck. Das Indiz: Mit zunehmender Digitalisierung müssten Filialen schlanker oder reduziert werden. Aber die Anzahl der Filialen wurde weitgehend nicht angetastet: Seit 2016 ist die Anzahl bei ca. 1.000.

 

Schlimmer noch: Das erfolgreiche und moderne Flaggschiff comdirect wurde in die schwächelnde Commerzbank integriert, statt sie als einen Nukleus der Zukunft zu erhalten und zu stärken.

 

Heute

 

Es ist schon richtig. Die letzten Jahre war kein wirklicher Fortschritt erkennbar. Wir haben immer noch: Eine riesige „Sparkasse“ mit einem  - aus heutiger Sicht - überdimensionierten Filialnetz und einer auch ansonsten schwierigen Kostenstruktur.

 

Ein Blick nach vorn

 

Welche Optionen hat die Commerzbank?

 

Die Option des Global Players ist seit 15 Jahren passé. Sie war in der Rückschau auch nie wirklich realistisch. Eine riesige „Sparkasse“ zusätzlich braucht Deutschland auch nicht. Da sind wir mit den ca. 400 Sparkassen und den ca. 800 Volks- und Raiffeisenbanken gut aufgestellt, eher zu gut.

 

Und gegen diese Phalanx wird man auch nicht im Wettbewerb gewinnen können. In kleinen Schritten in Richtung einer digitalisierten „Sparkasse“, kann auch nicht erfolgreich sein, weil die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken das sicherlich schneller hinbekommen.

 

Eine Fusion mit einer anderen Bank wäre eine Option. Aber mit wem? Die Deutsche scheidet für mich aus. Es könnte höchstens ein ausländisches Institut sein, dass in den deutschen Markt hinein will. Wer sollte das sein? Die, die rein wollen, sind da oder haben sich die Finger bereits verbrannt. Und die möglichen Kandidaten wissen auch, dass, bei der aktuellen Position und Positionierung der Commerzbank, ein langer Atem erforderlich wäre.

 

Eine erfolgversprechende Möglichkeit wäre die Übernahme durch ein Unternehmen, das bisher noch keine Bank ist, aber Bank werden will und eine Absprungbasis in Europa braucht. Nehmen wir amazon. amazon könnte große Teile der Commerzbank als Basis für eine Verbindung ihres bisherigen Geschäftsmodells mit Bankdienstleistungen in Europa nutzen. Menschen kaufen bei amazon und sind gleichzeitig Kunden der "amazon-Bank". Ein Traum. Da kann man was draus machen. Europaweit.

 

Teile der Commerzbank würden dann nicht gebraucht: Die comdirect könnte noch ins Bild passen. Sie könnte z.B. der Partner für das Brokerage sein. Das will amazon vielleicht nicht so gerne selbst machen. Das Firmenkundengeschäft müsste man wahrscheinlich in andere Hände geben. Da gäbe es bestimmt Interessenten, viellleicht sogar die Sparkassen-Gruppe. Man hätte vielleicht für einen Teil der Filialen eine neue Zusatzfunktion z.B. als Abholstation für Pakete. Ok, ok. Vielleicht zu fantasievoll. Aber, wer weiß?

 

amazon ist natürlich nur ein Beispiel. Aber: Die Commerzbank braucht eine strategische Ausrichtung außerhalb des klassischen Bankensektors, weil es dort keine erfolgversprechenden strategischen Optionen gibt. Ich traue Cerberus zu, dass sie in diese Richtung denken.

 

Also: Ja, aber Querdenken ist gefragt.

 

Siehe auch:

 

https://www.wiwo.de/unternehmen/banken/neue-commerzbank-strategie-aufspaltung-und-doppeltes-wachstumstempo/14629390-2.html

 

https://paymentandbanking.com/online-banking-digitaler-stillstand-since-1980/

 

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/die-dresdner-bank-verschwindet-das-ende-einer-bewegten-bankgeschichte-1698974.html

 

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/filialnetz-der-commerzbank-schlechte-lagen-falsche-maerkte-16848729.html

 

https://www.boerse-global.de/commerzbank-stirb-langsam-2-0/33655?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=commerzbank-stirb-langsam-2-0