Vorweg: Nichts gegen Inder. Nichts gegen indische Software- und IT-Unternehmen.
Aber ein bisschen merkwürdig ist das schon.
Die Deutsche Bank als Mutter der Postbank will die Postbank Systems verkaufen. Angeblich nach Indien. Genannt wird Tata Consultancy Services (TCS).
Einsortierung
Die Postbank Systems hat eine lange Historie hinter sich. Ich erinnere mich noch an die 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Das war die Postbank Systems weitgehend zuständig für die Rechenzentren der Postbank-Niederlassungen. Eine reiner RZ-Betreiber. Aber stetig wurden immer mehr Themen in die Systems verlagert bis sie am Ende das Systemhaus der Postbank-Gruppe war.
Dazu trugen nicht nur Verlagerungen innerhalb der Postbank bei. Auch von der Konsolidierung mit den Zukäufen der Postbank in den 2000er-Jahren profitierte die Systems. Das waren Anfang 2000 die DSL Bank und 2006 die BHW Bausparkasse.
Schick war, dass alles drei Unternehmen systemtechnisch SAP-Kunden waren oder werden sollten. Das hat sicherlich ein paar Vorteile gebracht. Die Postbank war der Kunde von SAP, der SAP für eine Retail-Bank hoffähig machte.
Und das wurde alles in der Postbank Systems gebündelt.
Auch wurden die mehr als ein Dutzend RZ der Postbank-Niederlassungen konsolidiert. In Summe ist die Systems heute ein leistungsfähiges Systemhaus im Konzern Deutsche Bank. Das kann mich nicht von allen IT-Bereichen dort behaupten.
Deutsche Bank
Die Deutsche Bank ist ja schon seit ungefähr 20 Jahren am irrlichtern, wenn es um das Retail Banking geht. Ich sage nur Deutsche Bank24 gründen und wieder einstampfen. Dann war die Postbank zu haben und die Deutsche Bank übernahm 2008/2009 die Mehrheit der Anteile.
IT-technisch wurde daraufhin das Projekt Magellan an den Start gebracht. Magellan war gedacht als Entrümpelung der Uralt-IT der Deutschen Bank im sogenannten Bereich PBC (Private & Business Clients) und als Konsolidierungsplattform mit der Postbank. Die Systeme der Postbank auf Basis SAP bei der Postbank Systems waren der Blue Print für Magellan.
Magellan war schwierig. Logisch. Das Projekt war groß, kompliziert, sehr politisch und wahrscheinlich unterfinanziert und unterterminiert.
Sei es wie es sei: Auch wenn das Projekt aus dem Ruder lief, war der finale Knock-Out die Entscheidung der Deutschen Bank im Jahre 2015 die Postbank wieder zu
entkonsolidieren und wieder los zu werden. Gesagt, getan. Das Entkonsolidieren. Aber 2017 (das Irrlichtern geht weiter) wurde entschieden, dass die Postbank doch im Konzern bleibt.
Das ist auch der systemtechnische Stand heute: Die Postbank hat weiter flächendeckend SAP im Einsatz, die Deutsche Bank hat durch Magellan Fragmente von SAP in diversen Bankprozessen, ansonsten ihre eigenen Anwendungen.
Es ist völlig klar, dass zwei Core Banking-Plattformen in Deutschland nicht wirklich effizient sind. Eine muss weg. Da die Plattform der Deutschen Bank sich in Magellan als renitent erwiesen hat, ist jetzt die der Postbank dran entsorgt zu werden.
Und wenn das funktioniert, dann braucht man die Postbank Systems nicht mehr. Wenn.
Verkauf an TCS
Wenn man die Systems nicht mehr braucht, dann hat man zwei Optionen: zumachen oder verkaufen.
Zumachen ist wohl schwierig. In Deutschland macht man nicht so einfach ein gutes Unternehmen mit 1400 Leuten dicht. Das wäre PR-technisch auch unglücklich.
Verkaufen ist besser. Aber: Wer kauft ein Unternehmen, das seine Kunden verliert.
Man kann das heilen, indem man als Verkäufer eine Abnahme der Leistungen über einen vernünftigen Zeitraum nach dem Übergang garantiert. Das sieht aber nicht so aus. Es ist von einem Jahr die Rede. Das fällt bei mir nicht unter vernünftig.
Sind die Kunden, wie BHW, wenigstens sicher? Reicht das denn? Eher nicht.
Also was ist die Logik aus Sicht des Käufers?
Idee könnte sein, mit der Postbank Systems-Plattform einen Dienstleister im Bankenumfeld aufzubauen wie Finanz-IT oder FiduciaGAD. Ok. Aber wo ist der Markt? Die SAP-Plattform ist nur etwas für die großen Jungs und davon haben wir in Deutschland gerade nicht mehr viele.
Oder: Das Know-how der Systems steht sicherlich auch einer TCS nicht schlecht zu Gesicht. SAP ist immer noch ein Bombengeschäft und TCS spielt da prominent mit. Da Banken eher nicht die Zielgruppe sind, muss man die Kompetenz der Menschen in der Systems breitflächig umpolen in andere Branchen. Das ist machbar. Und eine Perspektive.
Anderer Aspekt
Man muss wissen, dass TCS ein großer Lieferant der Deutschen Bank außerhalb Deutschlands ist. Das System BaNCS von TCS ist ein wichtiger Baustein für das Global Transaction Banking der Deutschen Bank. Nach meinem letzten Stand ist BaNCS für mehr als 30 Ländern ausgerollt. Das ist schon sehr bedeutsam.
Auch gibt es an anderen Stellen eine gedeihliche Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Deutsche Bank und TCS.
Bei einer solch engen Verbindung kann man auch schon mal über nicht so lukrative Dinge sprechen, wie die Übernahme der Postbank Systems. Und dann sehen, was passiert.
Möglicherweise ist das Thema „1 Jahr-Abnahmegarantie“ auch nicht realistisch, aber erst einmal innerhalb der Deutschen Bank und der Postbank der notwendige Druck, damit die Migration weg von SAP auch wirklich schnell erfolgt.
Einschätzung
Ich kann mir gut vorstellen, dass TCS die Postbank Systems als SAP-Plattform für seine SAP-Services in Deutschland nutzen will und gleichzeitig der Deutschen Bank einen „Gefallen“ tut aufgrund der engen Verflechtung an anderen Stellen.
Wenn dem so einigermaßen ist, dann wäre das eine gute Nachricht für über 1000 gute Spezialisten und eine schlechte Nachricht für deutsche SAP-Dienstleister. Da wächst dann Wettbewerb heran, der zusammen mit der globalen TCS-Organisation ein echtes Brett ist.
Und etwas anderes sei angemerkt. Die Tage von SAP für die Kernprozesse einer Bank sind gezählt. Der Verkauf der Postbank Systems ist ein untrüglicher Vorbote dafür.
Siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/BHW_Bausparkasse
https://www.dslbank.de/index.html
https://www.it-finanzmagazin.de/sackgasse-sap-banking-108620/
https://www.tcs.com/de-de/beratung-and-systemintegration