Vom Lebensmittelpunkt zum Auslaufmodell – Banken werden weitgehend verschwinden

 

Moralische Degenerierung

 

Seit Jahren befinden sich Banken in einer Abwärtsspirale. Ethisch moralisch sowieso. Die große Krise von 2008, auch bekannt als Subprime-Krise, zeigte wie skrupellos die gesamte Branche ihre Gewinne optimierte bis das Kartenhaus zusammenkrachte.

 

Auch die Banken in Deutschland wirkten mit ihren Skandalen eher wie kriminelle Vereinigungen als seriöse Kaufleute. Da sind die Beteiligung an der Subprime-Krise, die berüchtigten Cum-Ex-Geschäfte, die Manipulationen der Libor-Zinssätze, Geldwäsche, Wetten gegen die eigenen Produktempfehlungen usw.

 

Nur zur Klarstellung: Trotz dieses negativen Touch kann man natürlich nicht jeden Mitarbeiter einer Bank als kriminell bezeichnen. Das ist Unsinn. Auf der anderen Seite sind die Selbstreinigungskräfte unterentwickelt. Auch ist nicht wirklich Lernfähigkeit zu erkennen. Die Zeche dafür bezahlen auch die Anständigen.

 

Schwindende Lebensrelevanz

 

Aber auch in anderen Bereichen sind Degenerierungen deutlich sichtbar.

 

Als ich ein junger Mensch war, da waren ein paar Entscheidungen lebensprägend beim Erwachsenwerden. Da war z.B. das erste Sparbuch. Wenn das bei einer Sparkasse war, dann bestand auch ein hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Sparkasse einen ein Leben lang begleiten würde.

 

Man musste dann ja auch schon als Pimpf ohne Einkommen mindestens zweimal pro Jahr hin: Am Weltspartag zum Leeren der Spardose und zum Beginn des Jahres, um die Zinsen gutschreiben zu lassen. Das waren immer Wow-Momente.

 

Auch später ging man gerne zur „Hausbank“. Die ersten komplizierteren Produkte machten der Bank und mir Spaß – Bundesschatzbriefe Typ A oder Typ B mit einem Zins größer 4 Prozent (wer wissen will, was das war, muss gogglen).

 

Außerdem musste man wöchentlich hin, um sich Geld zu holen für den Kasten Bier oder die anderen Lebensmittel. Außerdem musste man für jede Überweisung zur Bank rennen, weil man das Überweisungsformular abgeben musste.

 

Als man dann noch später auch ein bisschen Geld zur Verfügung oder ein gutes Einkommen hatte, dann gehörte es zum guten Ton wenigstens einmal im Jahr zusätzlich mit dem Kundenberater zu besprechen, was man noch machen könnte (Bausparen, Kapitallebensversicherung), wie es weiter geht.

 

Alles war gut. Man vertraute seiner Bank, fand die Kompetenz gut und schickte seine Kinder auch da hin. Der Kreis schloss sich. Die Bank hatte eine echte Lebensrelevanz. Es war ein wichtiger Touchpoint im Leben.

 

Egalbank (Egal = umgangsprachlich für einerlei, gleichgültig, auch: schnurzpiepe)

 

Das ist heute anders. Ich habe zwei Jahre lang nicht bemerkt, dass die Filiale meiner Bank im Ort dicht gemacht hatte. Sie hatte für mich keine Relevanz mehr. Meine Kinder haben ihre Bankverbindungen bei Online-Banken und bezahlen im Netz mit Paypal, im Supermarkt kontaktlos mit der Karte und Bargeld – wenn man es denn braucht - gibt es am Geldautomaten, die irgendwo rumstehen, oder an der Supermarktkasse. Die Geldanlage ist im Netz gelandet: Kredit über Check24 bei der Egalbank, Festgeldanlage im Ausland bei einer Egalbank über Weltsparen oder Zinspilot und das Null-Euro-Brokerage über einen Egalbroker mit einer Egalbank als Abwickler. Hausfinanzierungsvermittlung über Interhyp oder Dr. Klein bei einer Egalbank. Vermögensaufbau mit Robo Adviser Liqid oder scalable. Wer steht dahinter? Egal!

 

Finanzen sind immer noch sehr wichtig, aber die Bank kommt nicht mehr vor. Schon gar nicht als realer touchpoint. Warum ist das so?

 

Scharniere werden neu definiert durch Technologie

 

Die Banken haben einfach ein paar Dinge verschlafen. Da sind sie nicht die Einzigen. Man kann die Degenerierungen bei allen Branchen feststellen, die ich als Scharnier zwischen Produkt-/Leistungserstellung und Nutzung bezeichne. Klingt sehr abstrakt, wird aber klarer mit Beispielen.

 

Der Handel z.B. wird gebraucht, um die Entfernung von der Produktion von Produkten zum Verbraucher zu überwinden. Die beste Möglichkeit war einmal der stationäre Handel. Die Hersteller von Produkten wurden dadurch bei der aufwändigen Distribution von Produkten entlastet. Je teurer, je erklärungsbedürftiger oder je frischer ein Produkt sein muss, desto mehr spricht für stationäre Distributionskanäle. Der stationäre Handel ist das Scharnier.

 

Heute sind zunehmend Portale oder Webshops von Produktherstellern das Scharnier. Der stationäre Handel degeneriert. Selbst Lebensmittel oder Autos kann man im Web kaufen.

 

Ähnlich verhält es sich bei Banken. Jahrzehntelang war das stationäre Scharnier erforderlich, um die Menschen mit Finanzdienstleistungen zu beglücken. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Scharnierfunktion übernehmen institutsneutrale Portale. Diese Portale gehen die Scharnierfunktion anders an. Sie degenerieren Banken zu reinen Produktlieferanten und stellen diese ins Regal. Dann legen sie über alle Produkte ein Qualitätsraster und eine Selektionsraster.

 

Mit dem Qualitätsraster definieren sie die Produktqualität. Mit dem Selektionsraster die Passung zu einem bestimmten Kundenbedürfnis. Der Kunde schaut nicht mehr auf den Produktlieferanten, sondern ausschließlich auf die Ergebnisse der Bewertung und selektiert danach. Diese Portale schaffen zusätzlich etwas, was bankeigene Portale nicht leisten können: Transparenz institutsübergreifend. Deshalb greift eine Strategie einer Bank auch ein Portal zu betreiben ins Leere, weil jeder weiß, dass Sie dort nur Ihre eigenen Produkte verkaufen will.

 

Auch die Kompetenz wird zum Problem

 

Durch das Internet haben sich auch die Kompetenzen verschoben. Kunden können sich heute ohne Friktionen über Lösungen für finanzielle Themen vertraut machen. Damit sind sie real oder gefühlt einem Bankberater überlegen. Die Menschen sind zunehmend self-directed. Sie wissen selbst, was gut für Sie ist.

 

Dass das auch oft Selbstüberschätzung ist, ist klar, und führt gelegentlich zu fatalen persönlichen Insolvenzen.

 

Banken überleben nur als Produktgeber

 

Wenn man das zusammenfasst, kann man sagen: Die Vertriebsfunktion von Banken in Richtung Endkunde ist tot.

 

Einzig in der regulatorisch erzwungenen Produktgeberfunktion und Abwickler-/Verwahrerfunktion gibt es noch Raum.

 

Die Abwickler-/Verwahrerfunktion ist aber seit Jahrzehnten auch schon in der Veränderung. Hier ist das Motto Automatisierung und Economies of scale, vulgo: Kosten runter. Das hat dazu geführt, dass nur noch ein paar Spezialisten unter den Banken das tun.

 

Bleibt nur noch das Thema Produkte. Das ist nicht wirklich spannend. Wegen der hohen Transparenz durch Internet usw. sind ein Innovationsvorsprung oder Renditevorsprung nur von kurzer Dauer. Es ist alles unmittelbar kopierbar. Deshalb ist es im Wesentlichen ein Preiskampf. Und das macht keinen Spaß. Außerdem kann man Produktentwicklung und -marketing zentral regeln. Präsenz in der Fläche braucht man nicht.

 

Einen Aspekt wurde noch nicht gestreift: Die Geldversorgung. Auch das ist keine Perspektive. Siehe dazu den Beitrag „Schafft das Bargeld ab!“.

 

In Summe ist die Perspektive gruselig: Banken werden aus der Fläche komplett verschwinden. Die mit dem Bankgeschäft verbundenen Abwicklungstätigkeiten werden weiter in zentralen Fabriken gebündelt. Einzig die (regulatorisch gewollte) Bereitstellung von Produkten ist noch ein Thema. Und dort werden die Banken austauschbar, weil Transparenz und unmittelbare Kopierbarkeit jeden Vorteil zunichtemachen. Da Finanzprodukte auch nicht emotional sind, wie z.B. ein Auto, kann man sich auch nicht dadurch differenzieren. Sie werden auch hier aus der Wahrnehmung verschwinden. Das war´s dann.