Es gibt kein Recht auf Zinsen (Teil 1)

 

Seit die EZB seit 2008 die Zinsen nach unten dreht, gibt es große Diskussionen um die Enteignung von Sparern und Vermögen. Dabei wird von besonders heftigen Kritikern der Eindruck erweckt, die Menschen hätten ein Recht auf positive Zinsen. Zumindest ein moralisches.

 

Das ist natürlich Blödsinn. Es gibt kein Gesetz für das Recht auf einen positiven Zins bei Geldanlagen. Warum wird dann so auf die Pauke gehauen, wenn die Zinsen niedrig oder sogar negativ sind.

 

German Angst

 

Mir scheint das daran zu liegen, dass wir Deutschen eine hohe Affinität zum Sparen und zu Sicherheit haben. Sparen wurde immer mit der Erwartungshaltung verbunden, dass das mit der Belohnung durch einen Zins einhergeht. Außerdem musste das Zinsversprechen sicher sein. Risiken sind nicht unser Ding.

 

Wir haben unser ganzes Leben ein gutes Stück um diese Philosophie herum gebaut. Und dabei haben wir eine Art Vollkaskomentalität entwickelt: Man gibt das Geld an die Bank und erhält ein akzeptables und festes Zinsversprechen. Kein Risiko für sich selbst. Das Risiko, diesen Zins zu erreichen lag bei der Bank.

 

Das gleiche bei den Lebensversicherungen auf Kapitalbasis. Das sind ja nichts anderes als Sparverträge gekoppelt mit einer Todesfallabsicherung. Diese Produkte waren sehr attraktiv, weil sie einen Garantiezins (!) versprachen zwischen 4% und 6%. Auf 30 Jahre war das ein guter Hebel.

 

Der risikolose Zins ist keine Basis mehr für das Leben

 

Diese Vollkaskomentalität ist seit 2009 schwer erschüttert, weil weltweit die risikofreien und risikoarmen Zinsen null oder sogar negativ sind. Und das Ende ist nicht absehbar.

 

Eine Bank kann nur einen hohen risikolosen Zins für Kundengelder anbieten, wenn sie selbst auch einen hohe risikolosen Zins erzielen kann. Das wäre z.B. dann der Fall, wenn eine Bank Kundengelder bei der Zentralbank gegen lukrative Zinsen anlegen kann. Deren Verzinsung ist elementar davon abhängig wie hoch der Leitzins ist. Da der Leitzins seit Jahren niedrig ist, kann eine Bank davon auch nichts weitergeben.

 

Als risikofreien Zins könnte man auch noch eine Anlage in deutschen Staatsanleihen ansehen. Dummerweise sind diese zur Zeit mit einem Zinskupon von Null oder knapp darüber ausgestattet, und zusätzlich liegt der Kurs über dem Nominalwert, sodass auch sie alle negativ rentieren.

 

Damit haben sich viele Gewissheiten des deutschen Lebens erledigt. Das ist teilweise einschneidend. Es gibt Menschen, die sind für ihre Lebensplanung darauf angewiesen, dass das mit dem Zins funktioniert, weil sonst ihre Altersvorsorge nicht passt. Das betrifft alle kapitalstockbasierten Systeme. Dazu gehörten die oben schon angesprochenen Kapitallebensversicherungen, aber auch private Pensionssparpläne oder die Pensionszusagen der Versorgungswerke und weitere.

 

Verschwörungstheorien

 

Der Enteignungsvorwurf geht auch gerne mal einher mit dem impliziten Vorwurf, dass die Zentralbanken mit den Staaten zusammenarbeiten und die niedrigen Leitzinsen eigentlich nur da sind, um eine lockere Fiskalpolitik zu ermöglichen. Im Falle Deutschlands geht man sogar noch weiter. Es wird behauptet, dass der Staat durch die niedrigen Zinsen seine Zinslast reduziert und dafür in Kauf nimmt, dass die Bürger enteignet werden.

 

Man muss schon ganz schön viele Phantome im Schrank haben, um so zu argumentieren. Aber hört sich natürlich gut an.

 

Aber nun mal mit gesundem Menschenverstand: Warum sollten Zentralbanken und Regierungen ihren Bürgern schaden wollen? Mir fehlt das wirkliche Motiv.

 

Zudem ist die EZB durchaus unabhängig von den Regierungen. Auch wenn die Verschwörer das leugnen, das ist einfach so. Dazu wird sie einfach zu oft von denen beschimpft.

 

Die Enteignungsthese ist uralt

 

Die Sparer wurden immer schon „enteignet“. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen Nominalzins und Realzins. Etwas simplifiziert wird der Nominalzins um die Inflationsrate vermindert zum Realzins. Wenn man sich den Realzins der letzten Jahrzehnte ansieht, sind die Menschen in vielen Jahren trotz auskömmlicher Nominalzinsen enteignet worden, weil der Realzins negativ war.

 

Nur da war das „enteignen“ nicht so offensichtlich, weil der Nominalzins positiv war.

 

Eine Lanze für die Zinspolitik der EZB

 

Außerdem tut die EZB das, was sie machen soll: Geldwertstabilität sicherstellen. Sie soll Inflation und Deflation vermeiden helfen. Dazu ist das Mittel der Zins. Eine Inflation von Null wird nicht angestrebt. Ein gewisses Maß an Inflation ist hilfreich, um wirtschaftliche Dynamik zu gewährleisten. Eine Deflation wäre katastrophal.

 

Deshalb steuert die EZB den Zins so, dass eine Inflation von 2% entstehen soll. Das ist natürlich beliebig schwer, u.a. weil die EZB das auch nicht vollständig in ihrer Hand hat. Inflation und Deflation werden auch anders ausgelöst. Wenn z.B. der Ölpreis massiv fällt und damit die Inflation in Deutschland sinkt, dann ist das vom Zins unabhängig.

 

Die Sache mit den Anleihekäufen ist eine andere Geschichte.

 

Wie kann man die Zinspuristen mit dem Rest der Welt versöhnen?

 

Es ist sicherlich ein schwieriges Unterfangen die Deutschen von ihrer Zinsfixierung wegzubewegen. Deshalb könnte man eine Idee umsetzen, wie in Teil 2 dieses Beitrages beschrieben (kommt am 3.7.2020).