Die Finanzierung des Filialwesens ist nicht fair

 

Kontoführungsgebühren sind fair

 

Ich bin Kunde bei einer Sparkasse und zahle für mein Konto Gebühren. Knapp 10 Euro pro Monat, also ungefähr 120 Euro im Jahr.

 

Einige bekommen bei diesen Zahlen einen Herzkasper. „Das kann man doch auch für lau haben.“ Das ist richtig. Aber: Für umsonst tut keiner was. Dann wird das Geld anders verdient. Irgendwie durch die kalte Küche.

 

Ich möchte mal ein Lanze für diese Gebühren brechen: Ich weiß, was es bedeutet die Infrastruktur bereit zu stellen, dass ich es zum nächsten Geldautomaten nicht weit habe, dass ich eine Überweisung real-time machen kann, dass ich bei REWE kontaktlos bezahlen kann, das ich online auf jedem erdenklichen Device weltweit mein Konto anschauen und auch nutzen kann und dass ich – aufmerken bitte – in Filialen reinstiefeln kann und mein Anliegen vortragen kann.

 

Also ich bin damit eigentlich ok. Allerdings bin ich kein Nutzer der Filiale und es nervt mich, dass ich diese damit auch mitfinanziere, auch wenn ich sie nie nutze.

 

Die Kunden wollen Filialen. Wirklich?

 

Es gibt jede Menge Untersuchungen, die belegen, dass die Kunden Wert darauf legen, dass es sie gibt. Ich finde das völlig nachvollziehbar, dass das so ist. Sie kosten ja auch nix für die Kunden. Jedenfalls vordergründig. Das Betreten einer Filiale ist nicht unmittelbar verbunden mit einem Preis oder einem Bezahlgefühl. Service for free. Nehmen wir gerne.

 

Nicht, dass hier ein Missverständnis aufkommt. Ich möchte die Geldautomaten, die in der Regel im SB-Bereich in der Filiale stehen, ausnehmen. Die zählen nicht zur Filiale, wobei ich das Problem schon in einem anderen Beitrag aus einer anderen Perspektive besprochen habe.

 

Sollen Sie haben

 

Also These: Die meisten Kunden finden Filialen deshalb großartig, weil ihre Existenz sie vordergründig nichts kostet. Beziehungsweise: Wenn ich schon Kontoführungsgebühren zahlen muss, dann ist das ja wohl da drin.

 

Antithese: Wenn eine Filiale (ohne SB-Bereich) pro Besuch eine Eintrittsgebühr von 10 Euro kosten würde, dann sähe die Sache anders aus.

 

Ergebnis einer Eintrittsgebühr wäre, dass die, die die Filialen wollen, sie auch finanzieren. Man könnte dann für alle Kunden die Pauschalgebühren für das Konto senken, weil der Anteil für die Filiale in diesen Gebühren von den realen Filialnutzern über die Eintrittsgebühr bezahlt wird.

 

Die Frequenz in den Filialen würde sich meines Erachtens massiv verringern, weil jeder plötzlich überlegt, ob das Anliegen 10 Euro wert ist. Manche sind vielleicht auch einfach zu geizig.

 

Online-Muffel würden sich rasch umorientieren. Nur wenn man ein wirklich nicht anders zu bedienendes Anliegen hat, dann investiert man die 10 Euro.

 

Man kann das natürlich ein wenig differenzierter gestalten. Zum Beispiel muss man alte Menschen mit so etwas nicht mehr quälen. Man könnte ihnen diese Gebühr erlassen. Aber die Kontoführung wäre auch für sie günstiger. Auch nicht schlecht.

 

Man wird dann sehen, ob die dann bestehende Frequenz und Eintrittsgebühren als Deckungsbeitrag so viel einbringen, die jeweilige Filiale zu finanzieren. Wenn nicht – was stark zu vermuten ist -, dann muss man andere Lösungen finden.

 

Ich wäre dann persönlich auch sehr zufrieden, weil meine Kontoführungsgebühr den Filialanteil nicht mehr enthalten würde.

 

Kundenorientierung und Erträge ins Gleichgewicht bringen

 

Wenn das Szenario stimmt, dann sind die Banken den Kunden seit Jahren auf den Leim gegangen. Die Banken haben dann aus falsch verstandener Kundenorientierung etwas am Leben erhalten, für das die Kunden nicht bereit sind zu zahlen. Das ist in Deutschland ziemlich beliebt (Geiz ist geil!): Leistungen als selbstverständlich und kostenfrei zu erwarten, wo andere großen Aufwand betreiben müssen. Wir sind schon gelegentlich „vom Stamme Nimm“. Und wir sind große Protestierer, wenn der Angeschnorrte nicht mehr mitspielt.

 

Kunden müssen einsehen, dass Leistungen auch bezahlt werden müssen. Und die Infrastruktur für das Banking ist auch ohne Filialen noch sehr teuer. Aber dieses Bewusstsein zu schaffen wird schwer. Aber selbst Online-Banken machen sich mittlerweile auf den beschwerlichen Weg, weil die Querfinanzierung eines kostenlosen Kontos nicht mehr wirklich funktioniert.

 

Wenn Kunden das alles nicht einsehen, dann sind sie besser keine Kunden. Andere zahlen dann für sie mit. Das ist nicht besonders fair.

 

Die Bank als Ort der Begegnung

 

Richtig absurd wird es, wenn Filialen als Ort der Begegnung argumentiert werden und damit ihre defizitäre Existenz. Oh Mann. Dann sollten die Banken lieber die Räume an Organisationen geben, die sich wirklich um das soziale Wohlbefinden von Menschen kümmern und quasi als Spende die Miete übernehmen. Das halte ich für zielführender.

 

Auch andere Ideen, wie z.B. die Filialen aufzupeppen und zu Erlebnisräumen zu machen, halte ich für schwierig. Wenn ich eine Bank betrete, dann bin ich im Modus „Abarbeiten von ToDos“. Dann will ich die Sache schnell hinter mich bringen. Da will ich nicht verweilen. Und das wird sich auch nicht ändern, wenn da hübsche Kaffeeecken sind. Meine „Erlebnisse“ hole ich mir dann lieber bei einem Café auf der Terrasse des Mélange an der Alster.

 

Rosa-Filiale als Ausweg

 

Ich finde diese Versuche, die Filialen zu retten sehr ehrenwert. Aber ich sehe das nicht. Vielleicht sollten Banken über die „Rosa-Filiale“ nachdenken. Rosa deshalb, weil keine Bank bisher diese Farbe hat. Diese Filiale würden an einem Ort für alle Banken, die das wünschen, Filialdienstleistungen erbringen. Das Personal wäre sozusagen bankneutral. Außerdem könnten sich Bankberater dort Räume mieten, um sich mit Kunden zu treffen, um kompliziertere Dinge zu besprechen. Das wäre dann so eine Art Regus-Konzept für Bankfilialen. Technisch sicherlich eine Herausforderung.

 

Die Rosa-Filiale würde dann die Frequenz von mehreren Banken bündeln und würde zu einer Kostenverteilung über mehrere Banken führen. Das wird sicher billiger und würde den Schmerz mit den Filialen lindern. Und die Idee ist nicht neu. Im Taunus haben das eine Sparkasse und eine Volksbank schon gemacht (siehe links)

 

 

 

Siehe auch:

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Stamme_Nimm

 

https://www.der-bank-blog.de/filialen-ein-ort-fuer-unwiderstehliche-banking-erlebnisse/retail-banking/17423/

 

https://www.der-bank-blog.de/bankkunden-bankfilialen-nutzung/studien/retail-banking-studien/37655285/

 

https://www.der-bank-blog.de/filialen-kundenbeziehung/studien/37659692/

 

https://www.oliverwyman.de/our-expertise/insights/2019/dec/die-bankfiliale-der-zukunft.html

 

https://www.it-finanzmagazin.de/das-sterben-der-filialen-13-000-bankfilialen-werden-bis-2030-schliessen-98338/

 

https://melange-neuerwall.de/

 

https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken-volks-sparkasse-volksbank-und-sparkasse-legen-50-filialen-zusammen/24974254.html?ticket=ST-11908699-IpMSeInBcNif35LbfEdq-ap3