An der Commerzbank arbeiten sich im Moment ja alle ab, denen Wirecard mittlerweile zu langweilig geworden ist. Ich auch. In einem Beitrag habe ich provokant gefragt, ob die Commerzbank noch zu retten ist und das mit Vorbehalt bejaht.
In dem Beitrag habe ich mich mit den strategischen Optionen auseinandergesetzt, die handelnden Personen weitgehend außen vor gelassen.
Das ist natürlich zu kurz gesprungen. Strategien werden von Menschen gemacht. Entscheidend für eine Strategie ist auch der Mind Set der handelnden Personen. Wenn man dieser Logik folgt, dann ist die Commerzbank in den letzten Jahren an ihrem Personaltableau, insbesondere bei den Entscheidern, gescheitert.
Wenn man sich den Vorstand anschaut, dann sind das alles sehr ehrenwerte Menschen und Banker. Aber das ist nicht das, was die Bank braucht. Die Bank braucht keine Strategen, die das gleiche machen, wie alle anderen. Die Situation ist mittlerweile so, dass das Kopieren des Mainstream nicht ausreicht.
Deswegen sind die Entscheidungen für das Personal auf der Top-Ebene von entscheidender Bedeutung. Neben der Person Zielke muss man eigentlich das ganze Tableau überdenken.
Die Aufgabe
Die Commerzbank braucht sicherlich in einem ersten Schritt eine harte Sanierung der klassischen Art. Wir kennen das: Humorloses Cost Cutting über Personalabbau und Filialreduktion und eher symbolischen Maßnahmen wie das Verbot von Dienstreisen und Streichung von Essenszuschüssen in der Kantine. Das sind die Quick Wins jedes Sanierers. In einem zweiten Schritt vielleicht noch Risiken reduzieren. Das wars dann.
Das kostet erst einmal Geld, aber das akzeptiert jeder. Übrig bleibt eine verzwergte Commerzbank. Wenn nicht versetzt parallel die strategische Neuausrichtung stattfindet.
Und die braucht echte Spinner. Keine Bankkaufleute mit 25 Jahren Erfahrung im Commercial Banking oder im Finanzbereich der Bank. Die braucht man auch. Aber dieser Mind Set treibt nicht das künftige Geschäft.
Man braucht Quereinsteiger, Mitreißer. Leute, die Geschäftsmodelle einreißen und neu definieren. So ein bisschen Steve Jobs, Jeff Bezos und Elon Musk. Und zwar müssen die, außerhalb der reinen Sanierung, den Ton angeben.
Eine weitere Fähigkeit dieser Leute muss es sein, Geschwindigkeit zu erzeugen. Viel Zeit hat man nicht. Und Geschwindigkeit bekommt man nur durch eine hohe Kollaborationsbereitschaft mit Partnern. In der Regel sind die beschriebenen Menschen beseelt von Geschwindigkeit und sehr offen für die Kollaboration mit anderen. Das kann klappen.
Die erste Entscheidung
Die erste Entscheidung für das Personal ist gefallen: Der neue AR-Vorsitzende wird Hans-Jörg Vetter. Tja, das ist für die Strategen eher eine schlechte Nachricht, für die Sanierer eine gute. Herr Vetter hat mit der Bankgesellschaft Berlin und der LBBW bereits reichlich Erfahrung gesammelt, wie man Sanierung machen kann. Die Ergebnisse sind eigentlich ok.
Für die Sanierung ist Herr Vetter bestimmt ein guter Impulsgeber. Aber für den Blick nach vorne? Das wohl eher nicht. Entsprechend wurde die Benennung auch heftig kritisiert. Ich finde das etwas voreilig, aber nachvollziehbar.
Wenn aber jetzt ein „Spinner“ neuer VV wird und auch bei den weiteren Positionen nachgeschärft wird, dann ist das Gespann mit Herrn Vetter zumindest theoretisch perfekt. Ein harter Sanierer kombiniert mit einem Zukunftsarbeiter.
Ist denn die Wahrscheinlichkeit für ein solches Gespann gut? Eher nicht. Nach meiner Einschätzung wird Herr Vetter die Lage der Bank durch seinen Katechismus analysieren, der durch sein Erleben maßgeblich geprägt wird. Das kommen Spinnereien nicht vor.
Es würde auch großer Mut dazu gehören, das Spannungsfeld von Sanierung und Zukunft mit zwei Antipoden zu besetzen. Das wird extrem anstrengend.
Warten wir ab und seien wir optimistisch. Die erste Entscheidung war nicht ganz falsch. Ein Sanierer wird gebraucht. Der ist jetzt prominent da. Fehlt nur noch die Zukunftspersönlichkeit. Das hat Herr Vetter jetzt maßgeblich mit in der Hand. Alles Gute, von Herzen.
Siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-J%C3%B6rg_Vetter